Am 9. Dezember 2009 stellte die österreichische Nachrichtenagentur APA mein Wakonigg-Buch vor. Edgar Schütz schrieb folgendes:
WILHELM WAKONIGG – EIN VERGESSENES OPFER DES SPANISCHEN BÜRGERKRIEGS
Österreichischer Ex-Konsul 1936 von Volksfront hingerichtet – Deutscher Baskenland-Experte erforschte Spionage-Geschichte
(Von Edgar Schütz/APA)
Bilbao/Wien (APA) – Über den Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) sind schon tonnenweise Bücher geschrieben worden, auch die Österreich betreffenden Facetten gelten als weitgehend erforscht. Diese Seiten wurden bisher vorwiegend mit den rund 1.400 österreichischen Interbrigadisten, die auf der Seite der linksorientierten “Zweiten Republik” gegen die nationalen Putschisten kämpften, gefüllt. Nun hat der deutsche Journalist, Historiker und Baskenland-Experte Ingo Niebel mit dem “Fall Wilhelm Wakonigg” ein fast unbekanntes Kapitel aufgeschlagen. Der ehemalige k.u.k-Konsul war im November 1936 in Bilbao exekutiert worden.
Niebel rekonstruiert den Fall anhand spanischer, baskischer, deutscher und österreichischer Akten in dem auf Spanisch im baskischen Verlag “Alberdania” erschienenen Buch “Al infierno o la gloria – Vida y muerte del ex consul y espia Wilhelm Wakonigg en Bilbao 1900 – 1936” (“Zur Hölle oder zum Ruhm – Leben und Tod des Ex-Konsuls und Spions Wilhelm Wakonigg in Bilbao 1900-1936”).
Wobei eines vorweg gesagt werden muss: Wakonigg war kein Opfer des Franquismus, wie sie derzeit an vielen Orten Spaniens aus Massengräbern geborgen werden. Ganz im Gegenteil: Der ehemalige k.u.k.-Konsul wurde von einem Erschießungskommando der Volksfront-Regierung am 19. November 1936 auf dem städtischen Friedhof der baskischen Küstenmetropole Bilbao (Bilbo) exekutiert. Vier Monate nach dem 18. Juli 1936 also, an dem Teile des spanischen Militärs gegen die legitim gewählte linksbürgerliche Republik geputscht und so die “Guerra Civil” entfacht hatten.
Die Erschießung von Wilhelm Wakonigg hat bis dato keinen großen Niederschlag in den Annalen gefunden, sie wurde lediglich in einem Weißbuch der Regierung des spanischen Baskenlandes (Euskadi) und in zeitgenössischen Berichten des britischen Kriegsberichterstatters George Lowther Steer erwähnt. Dieser fügte die historischen Puzzleteile freilich etwas freihändig zusammen, wodurch Niebel einige Ungereimtheiten auffielen. Letztlich schrieb er gleich selbst ein gut recherchiertes Buch darüber. Der aus Köln stammende Autor, der auch im Baskenland lebt, geht weit in die Vergangenheit zurück und beschreibt im Detail den Lebenslauf Wakoniggs, der an sich ein typischer Alt-Österreicher war.
Er wurde am 30. April 1875 in Littai (Litije) im damals zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gehörenden Slowenien geboren, ehe er über Geschäftswege nach Bilbao kam und in der baskischen Hafen-, Handels- und Industriemetropole in die allerbeste Gesellschaft einheiratete. Als erfolgreicher und daher auch wohlhabender Unternehmer war er freilich schon im Ersten Weltkrieg an der Schattenfront der Geheimdienste tätig. Der umtriebige Österreicher hatte auch nach dem Ende der k.u.k-Monarchie seine Hände im Spiel, als der gestürzten Kaiserin Zita und Witwe nach Karl I., der 1922 auf Madeira verstorben war, samt Familie zu einer standesgemäßen Übergangsbleibe in einem Palast im baskischen Fischerort Lekeitio (Lequeitio) verholfen wurde. In der Zwischenkriegszeit knüpfte er auch Geschäftskontakte nach Deutschland. Als dann im Juli 1936 der Militäraufstand zum Bürgerkrieg mutiert war, versuchte Wakonigg, gleichermaßen seine Beziehungen zu Spaniens Faschisten, deutschen und österreichischen Stellen wie jene zur Baskischen Nationalistenpartei (PNV), wo sein Schwiegersohn die Polizeimiliz leitete, für seine eigenen Interessen zu nutzen.
Anhand der PNV wird auch das Dilemma erkennbar, in dem sich das baskische Großbürgertum, aber auch die katholische Kirche damals befand. Vor allem gesellschaftspolitisch wären ihnen die Aufständischen wahrscheinlich näher gestanden als die Republikaner, die ein Spektrum von der extremen Linken (Anarchisten) bis zu liberalen Kreisen abdeckten. Doch waren die Generäle rund um Francisco Franco und Emilio Mola den Minderheiten in Spanien nicht gutgesinnt. Daher blieb das Baskenland vorwiegend republikanisches Territorium. Bei der Vollstreckung des Urteils war dann auch der Kultur- und Justizminister der autonomen Regierung von Euskadi, der PNV-Politiker Jesus Maria de Leizaola, zugegen. Da halfen Wakonigg auch keine Familienbande mehr.
Wakonigg hatte sich weniger aus ideologischen Gründen auf die Seite der Putschisten geschlagen, vielmehr ging wieder einmal sein Geschäftssinn mit ihm durch. Er wollte Mittelsmann zwischen der Metallindustrie des Deutschen Reiches und der Regierung des nationalspanischen Lagers werden, die ihren Sitz in Burgos aufgeschlagen hatte. Wakonigg wollte den Putschisten offenbar eine möglichst rasche Eroberung der Industriezonen im spanischen Baskenland ermöglichen. Darüber hinaus dachte der vermögende Unternehmer daran, der deutschen Schwerindustrie den Zugriff auf die Erzvorkommen rund um Bilbao zu sichern, die Adolf Hitler für sein Rüstungsprogramm dringend brauchen konnte.
Letztlich verfing er sich aber selbst in seinem nach allen Seiten aufgespannten Netz. Die Spionageabwehr der autonomen baskischen Regionalregierung nahm Wakonigg am 28. Oktober 1936 fest, weil er militärische Geheimunterlagen außer Landes schaffen wollte. Der ehemalige Konsul der Habsburger Monarchie soll auch gezielt gegen die Republik spioniert und Sabotageakte gesetzt haben. Belegt ist, dass er mit Hilfe der deutschen Kriegsmarine hochrangige Persönlichkeiten des Franco-Lagers aus der Republikanischen Zone ins Ausland geschafft hatte. Wakonigg taugte aber offenbar zum Agenten weit weniger als zum Geschäftsmann. Deshalb flog er recht schnell auf. Niebels Schlussfolgerung aus Wakoniggs Schicksal: “Spionage ist kein Metier, das sich für Amateure und Hasardeure eignet.”
S E R V I C E: Niebel, Ingo: “Al infierno o la gloria. La vida y muerte del ex consul y espia Wilhelm Wakonigg en Bilbao 1900-1936” (Zur Hölle oder zum Ruhm. Leben und Tod des Konsuls und Spions Wilhelm Wakonigg in Bilbao 1900-1936). Editorial Alberdania, Irun 2009. ISBN 978-84-9868-055-3 . Internet: http://www.alberdania.net
Vom selben Autor ist erschienen: Niebel, Ingo: Das Baskenland. Geschichte und Gegenwart eines politischen Konflikts. Promedia Verlag, Wien 2009. 256 Seiten, 17,90 Euro. ISBN 978-3-85371-294-8. Internet: http://www.mediashop.at
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