Rechtsruck in Spanien

Rechtsruck in Spanien

(berriak-news/Ingo Niebel) Der post- und neofranquistische Trumpismus verbucht einen Doppelsieg in Madrid und rückt das Land nach rechts. Spaniens Linke schmiert ab. Im Baskenland wird die linke Unabhängigkeitskoalition EH Bildu stärkste Kraft auf kommunaler Ebene.

Linkes Desaster

Am Tag nach den landesweiten Kommunal- und den Regionalwahlen in 12 der 17 Autonomen Gemeinschaften steht die Sozialistische Spanische Arbeiterpartei (PSOE) vor den Trümmern ihrer Strategie: Ihre Politik der letzten Monate hat zwar dazu beigetragen, die Konkurrenz links von ihr zu dezimieren, aber der dadurch erhoffte Stimmenzuwachs blieb aus. Vielmehr musste die Partei von Premier Pedro Sánchez herbe Verluste einstecken: Allein sechs Regionalregierungen verliert sie an die postfranquistische Volkspartei (PP) von Alberto Núñez Feijóo.

Die PSOE erlebt ihr “blaues Wunder”, als die postfranquistische PP an ihr in sechs Autonomen Gemeinschaften vorbeizieht. (Quelle: El Mundo)

Im landesweiten Vergleich der Kommunalwahlergebnisse liegt die PSOE mit 28 Prozent drei Punkte hinter der PP. Die Arbeiterpartei verlor in ihren südspanischen Stammwahlregionen weiter an Zustimmung. Extremadura ging an die PP. Die Rechtskonservativen könnten bald auch Sevilla, die prestigeträchtige Hauptstadt Andalusiens, regieren.

Am Scheideweg

Nach dem verheerenden Ergebnis steht die PSOE am Scheideweg: Eine falsche Entscheidung und sie begibt sich auf den Weg ins Nichts, wie ihn die Sozialistische Partei (PS) in Frankreich bereits durchlaufen hat. Die Alternative hieße, sich der ureigenen Werte zu besinnen. 1931 half sie, die Monarchie durch eine Republik zu ersetzen. Heutzutage fehlen dazu Mut und Freiraum, da die PSOE das 1978 geschaffene politische System maßgeblich mitgetragen und gefestigt hat.

Das desolate Abschneiden ihres Koalitionspartners Unidas Podemos (UP) zeigt, dass es nicht ausreicht, linke Politik nur zu predigen. In Madrid trat das Linksbündnis einst an, um kometenhaft in den Raum der etablierten Parteien vorzudringen und nach den Sternen zu greifen. Emotionen trieben die Linken an. Dem Abheben folgten Spaltungen, die mit verpassten Chancen zum Absturz führten. Hochfliegende Pläne funktionieren nur dann, wenn eine politische Organisation die Bodenhaftung beibehält. Dazu gehört, dass sie ihre ideologischen Fernziele den aktuellen Sorgen der gesellschaftlichen Mehrheit nachordnet. Dort, wo das glaubwürdig geschieht, blieben die Wahlerfolge nicht aus. Im Baskenland hat die linke Unabhängigkeitskoalition EH Bildu gezeigt, wie sich Wahlen in Kommunen und Regionen inmitten eines politisch-medialen Shit-Storms gewinnen lassen.

Francos Blau erstrahlt wieder

Aus dem politischen Kräftemessen gehen Feijóos Postfranquisten als Sieger hervor. Am Wahlabend sprach die PP von einer „blauen Flut“, die über das Land schwappte. Mit dieser Farbe identifizierte sich das faschistische „Movimiento“ des Diktators Francisco Franco. Nach seinem Tod organisierte sich der reformfranquistische Flügel in der Alianza Popular (AP). Letztere benannte sich später in PP um. Die ideologischen Werte des Franquismus – Einheit der Nation, spanischer Nationalismus, Antisozialismus – behielt sie bei.

Mit dem jüngsten Wahlerfolg sichert Parteichef Feijóo fürs Erste die eigene Position und den Anspruch, als Spitzenkandidat bei der Parlamentswahl gegen Sánchez anzutreten. Die eigentliche Gewinnerin heißt jedoch Isabel Díaz Ayuso. Feijóos innerparteiliche Rivalin errang in der Autonomen Gemeinschaft Madrid die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das gelang ebenfalls ihrem Parteifreund José Luis Martínez-Almeida, der als Oberbürgermeister die Hauptstadt ohne Koalitionspartner regieren wird.

Vor Ayuso liegt eine weitere Amtsperiode als Ministerpräsidentin der prestigeträchtigen Hauptstadtregion. Nachdem sie gegen den Widerstand in der Parteispitze die Führung des PP-Landesverbandes übernehmen konnte, gestattet ihr der gestrige Triumph, Ansprüche auf das höchste Regierungsamt im Land anzumelden.

Doppelsieg dank des Postfaktischen

Der PP gelang der Doppelsieg auf der Basis eines inhaltsfreien und mit Fake News gespickten Wahlkampfes. Weder das abgewirtschaftete Gesundheitswesen noch der fatale Umgang mit der Pandemie geschweige denn die Vetternwirtschaft hinderten Ayuso und Martínez-Almeida am Durchmarsch. Wer propagiert, dass eine Topfpflanze auf jedem Balkon in Madrid gegen den Klimawandel ausreicht, braucht keine Energiewende. Der Erfolg des Postfaktischen Trumpscher Prägung lässt Schlimmes für den kommenden Wahlkampf befürchten.

Der PP-Stil entzog der rechtsliberalen Konkurrenzpartei Ciudadanos (C‘s) die Wählerschaft. Die abtrünnigen Wählenden fanden in der PP und bei der neofranquistischen VOX akzeptable Alternativen. Für die Rechtsextremen von Santiago Abascal bedeutet die Wahl, dass sich ihre Partei als politischer Akteur in den Regional- und Kommunalvertretungen – außer im Baskenland und Katalonien – etabliert hat. Im Vergleich zu 2019 erhöhte VOX seine Stimmen von 2,9 auf 7 Prozent. Im spanienweiten Durchschnitt gilt sie als dritte Kraft auf kommunaler Ebene. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, wo VOX mit der PP koalieren wird. Zum neofranquistischen Erfolg haben die halbherzige Aufarbeitung der faschistischen Diktatur (1936/39-1975/78) und die ausgebliebene juristische Ahndung ihrer Verbrechen beigetragen.

Flucht in die Parlamentswahl

Ob die PP mit der VOX demnächst Spanien regieren wird, werden die Wahlberechtigten am 23. Juli 2023 entscheiden. Auf diesen Tag hat Premier Sánchez heute überraschend die Parlamentswahl terminiert. Er sieht darin „eine Antwort“ auf das Wahlergebnis, für das er die Verantwortung übernimmt. Der Termin liegt just am Beginn der spanischen EU-Präsidentschaft.