(berriak-news/Ingo Niebel) In diesem Jahr wird sich die Zukunft der linken Minderheitsregierung von Premier Pedro Sánchez entscheiden. Im Mai finden Regional- und Kommunalwahlen statt. Danach folgt die Parlamentswahl. Dazwischen übernimmt Madrid die EU-Präsidentschaft.
Hispania, quo vadis? (lat.: Spanien, wohin gehst du?), lautet die Frage beim Blick auf das Superwahljahr 2023, das die politische Zukunft des Landes entscheiden wird. Zu Beginn des neuen Jahres läßt sich aufgrund diverser Unsicherheitsfaktoren noch keine Prognose stellen.
Von europaweiter Bedeutung wird der Ausgang der Parlamentswahl sein. Für den Urnengang steht aber noch kein Datum fest. Es obliegt der Regierung der sozialdemokratischen Premiers Pedro Sánchez (PSOE), es auszusuchen. Den zeitlichen Rahmen gibt die Verfassung vor.
Parlamentswahl ja, aber wann?
Demnach endet die Legislaturperiode regulär am 10. November 2023. Folglich müsste die Parlamentswahl bis zum 10. Dezember stattfinden. Der Congreso müsste sich spätestens am 16. Oktober auflösen. Sánchez steht es frei, einen Wahltermin vor dem 10. Dezember festzulegen.
Mindest zwei Faktoren werden seine Entscheidung beeinflussen: erstens der Ausgang der Regional- und Kommunalwahlen am 28. Mai. Landesweit werden alle kommunalen Vertretungen, jedoch nur der 12 der 17 Regionalparlamente neugewählt werden. Die politisch relevanten Volksvertretungen der Autonomen Baskischen Gemeinschaft und von Katalonien stehen erst 2024 beziehungsweise 2025 zur Wahl. Daher liegt das Augenmerk liegt auf dem Wahlausgang in der Hauptstadt Madrid und in der gleichnamigen Autonomen Gemeinschaft. (Letztere entspricht einem deutschen Bundesland, obgleich sie nicht über denselben verfassungsrechtlichen Status verfügt.)
EU-Präsidentschaft im Superwahljahr
Des Weiteren wird Spanien im Juli 2024 turnusmäßig die EU-Präsidentschaft übernehmen. Die Frage wird sein, ob Sánchez die spanische Parlamentswahl vor diesem Termin oder doch eher im Herbst abhalten wird. Entscheidend dürfte der Wahlausgang am 28. Mai sein. Falls dabei Sánchez Sozialistische Spanische Arbeiterpartei (PSOE) erfolgreich sein sollte, könnte der Premier versucht sein, den Hype auszunutzen. Andernfalls bliebe ihm als Plan B die EU-Präsidentschaft wahltaktisch zu nutzen. Da in Spanien der August gemeinhin als Urlaubsmonat gilt, dürfte eine Wahl frühestens im September, wenn nicht, doch eher gegen Ende der Legislaturperiode und der EU-Präsidentschaft stattfinden.
Die Wahlen vom 10. November 2019 legen den Massstab fest. Damals wurde die PSOE mit 28 Prozent der Stimmen stärkste Fraktion. An zweiter Stelle rangierte die postfranquistische Volkspartei (PP) mit 20 Prozent. Auf Platz drei kam deren Abspaltung, die neofranquistische Vox mit 15 Punkten, gefolgt vom Linksbündnis Unidas Podemos (UP) mit über 9 Prozent. Dahinter positionierte sich die rechtsliberale Partei Ciudadanos (C’s).
Sánchez bildete mit Pablo Iglesias (UP) eine Minderheitsregierung. Im zweiten Wahlgang wurde er am 7. Januar 2020 Regierungschef. Ihn unterstützten kleinere Links- und Regionalparteien. Außerdem enthielten sich die baskische EH Bildu und die Republikanische Linke Kataloniens (ERC). Diese beiden Parteien treten für die Unabhängigkeit ihrer Regionen ein. Dennoch blieb es ein knappes Ergebnis: Den 167 Stimmen für Sánchez standen 165 der Opposition entgegen bei 18 Enthaltungen.
Große Koalition, no gracias
Mit Blick auf das Superwahljahr 2023 dürfte klar sein, dass PSOE und PP einen oder mehrere Koalitionspartner benötigen werden. Eine Große Koalition gab es bisher nicht. Eine solche zeichnet sich auch nicht ab: Die beiden Parteien regierten bis dato immer alleine, notfalls als Minderheitsregierung. Die Koalition aus PSOE und UP gilt daher als Novum.
Wenn die Große Koalition als Kompromiss ausfällt, stellt sich die Frage, ob die PP zusammen mit Vox über die nötigen Stimmen verfügen könnte, um den nächsten Premier zu stellen. Im Gegensatz zu ihrer deutschen Schwesterpartei CDU legt sie keinen Cordon Sanitaire um die rechtsextreme Konkurrenz, sondern regiert mit der Vox auf kommunaler und regionaler Ebene. Hierbei gelten die Wahlen am 28. Mai in Madrid als entscheidend.
Die PP will in der Hauptstadt und in der Autonomen Gemeinschaft weiter den Oberbürgermeister José Luis Martínez-Almeida und die Ministerpräsidentin Isabel Díaz Ayuso stellen. Während ersterer als politisches Leichtgewicht gilt, verfügt letztere über das Potenzial, als erste Frau die PP und die Regierung zu führen. Die Zukunft von PP-Parteichef Alberto Núñez Feijóo hängt von den Wahlergebnissen ab. Der Urnengang wird endgültig über das Schicksal der C’s entscheiden, die gerade zwischen PP und Vox zerrieben wird.