Elsässer spannt Bogen vom NPD-Rechtsberater Schachtschneider bis hin zum linken Barden Dehm
(Magazin Geheim/Ingo Niebel) Wir leben in einer Zeit, in der das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz nach MDR-Berichten zwei Mitglieder der neonazistischen Nationaldemokratischen Partei (NPD) benutzt hat, um die Partei Die Linke (PdL) auszuspionieren. Diese Erkenntnis entspringt den parlamentarischen und journalistischen Recherchen zur Terrorgruppe namens „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), die sich vor gut einem Jahr quasi selbst in Schall und Rauch auflöste – obwohl oder weil die Sicherheitsbehörden niemals ganz fern vor ihr operierten. Dreizehn Jahre lang konnte der NSU zehn Menschen ermorden, rauben und unerkannt im doch nicht ganz zu tiefen Untergrund operieren. Und zwanzig Jahre nach den Pogromen von Rostock und Hoyerswerda ist der Rechtsradikalismus in diesem Land nicht zurückgewichen, sondern hat sich nicht nur in den Köpfen weiter verbreitet. In Hoyerswerda sind Neonazis so stark, dass sogar die Polizei einem antifaschistischen Paar rät, zur eigenen Sicherheit die Stadt zu verlassen.
Vor diesem Hintergrund könnte man eigentlich meinen, dass Politiker der PdL offen Position gegen Rechts beziehen. Und das nicht nur gegen die NPD, sondern auch gegen jenes politisch-publizistische Spektrum, das sich jenseits des rechten Randes der CSU bis zu den neonazistischen Kameradschaften und ähnlich gepolten Parteien und Organisationen erstreckt. In diesem Bereich operiert auch die als „Volksinitiative“ gestartete Querfront des Ex-Antideutschen, ergo „Linken“, Jürgen Elsässer. Über die Gefährlichkeit für die Linke in ihrer Gesamtheit und nicht nur für Angehörige der PdL hat das Magazin GEHEIM seit 2007 regelmäßig berichtet.(1) Seine Redakteure Michael Opperskalski und Ingo Niebel bezogen offen Position und warnten vor dem Schaden, den Elsässer mit seiner Expansion in linke Gefilde anrichten würde. 2009 begründete der Chefredakteur des Neuen Deutschland (ND), Jürgen Reents, im Gespräch mit der taz die Trennung seines Blatts von Elsässer, weil dieser mit seiner Volksinitiative an rechte Parolen angedockt habe, die höchst gefährlich seien. (2) Bei dieser Geste blieb es dann auch, da die „sozialistische Tageszeitung“ in der Folge, wenn überhaupt inkonsequent über das Treiben ihres einstigen Mitarbeiters berichtete. Ein Grund für dieses Verhalten mag gewesen sein, dass ehemalige DDR-Größen wie der ND-Autor Klaus Blessing oder der PdL-Ehrenvorsitzende Hans Modrow bei Elsässers Veranstaltungen auftraten beziehungsweise Interviews gaben.
In diese Kontinuität passte dann die Nachricht, wonach auch der Musiker und PdL-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm dem Querfrontler Rede und Antwort gestanden hätte. Das war der Beginn einer weiteren GEHEIM-Recherche über Elsässers jüngsten Expansionsversuch weit ins linke Spektrum hinein. Zu seinen Hauptproblemen gehört weiterhin, dass er neben bürgerlichen und eurokritischen, antikommunistischen und extrem rechten Personen keine namhaften linke Vertreter in seinem Compact-Magazin vorweisen kann. Außerdem bedauert er regelmäßig, die meist fehlende und ansonsten negative Wahrnehmung seiner Person und Arbeit seitens der Mainstreammedien.
Das will der Journalist unter anderem mit seinem „Elsässer Blog“ ändern. Dort erschien am 19. September 2012, um 14:15h, der Beitrag „’Tausendmal berührt’ – die Linke und das Volk“. Dabei handelt es sich um Auszüge aus einem Text, den der Journalist als „COMPACT-Interview mit Diether Dehm“ ausweist. Am Ende des Eintrags schreibt der Chefredakteur des Magazins, dass Leser den vollständigen Text in der Printausgabe von Heft 9/2012 lesen könnten.(3)
Zum journalistischen Usus in diesem Land gehört, dass Medien ein Gespräch immer dann mit ihrem Namen ausweisen, wenn sie es auch selbst geführt haben. Da Elsässer schon vor drei Jahren ein gewisses Faible für Dehm gezeigt hat, erschien es zunächst nicht ausgeschlossen, dass der linke Barde dem aus dem ND-Verstossenen Rede und Antwort gestanden haben könnte. Dieser Eindruck wurde noch weiter verstärkt, weil in den von Elsässer veröffentlichen Passagen der Interviewer Dehm vertraulich duzt. Da der Fragesteller nicht namentlich genannt wird, liegt es nahe zu glauben, dass der Namensgeber des Blogs das Interview selbst geführt haben könnte. Dem nicht genug.
Als die ver.di-jugend in ihrer Broschüre „Aktiv gegen extrem rechte Zeitungen“ auch Elsässers Compact-Magazin als „Sonderfall“ listet, reagiert das Blatt.(4) Die Gewerkschafter kommen zu dem Schluss, dass man das Magazin „nicht als dezidiert rechte Publikation“ bezeichnen könne, aber: „Sie erfüllt jedoch eine Scharnierfunktion zwischen der extremen Rechten und Rechtskonservativen.“ Auf der Compact-Homepage findet sich ein „Offener Brief an den Vorstand von Verdi und der Verdi-Jugend“, denn man fühlt sich zu Unrecht in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt. „Entweder lügen die Kritiker, oder sie haben COMPACT nur von ferne gelesen. COMPACT hat immer wieder namhafte Linke als Autoren und Interviewpartner gewinnen können. In der aktuellen Ausgabe vom September 2012, die beiliegt, findet Ihr etwa ein Interview mit Diether Dehm (MdB Die Linke)“, poltert das Blatt zurück.(5) Es folgt eine Liste mit Namen von weiteren Personen, die diese Behauptung stützen sollen (s.Kasten). Der Offene Brief endet „mit kollegialen Grüßen“, aber eine Unterschrift fehlt. Da Elsässer im Impressum der Seite auch als Chefredakteur der Online-Ausgabe firmiert, ist er presserechtlich dafür verantwortlich, selbst wenn er das Schreiben nicht verfasst hat, sondern vielleicht einer seiner Redaktionskollegen oder sein Verleger Kai Homilius, der auch als einer der beiden Webmaster fungiert.
Dass Elsässer sich auch des Namens von Dehm bediente und ihm die Rolle eines „Leumundszeugen“ zuwies, passte zu den gemeinsamen Nennern, die sich zwischen den beiden finden lassen.
„Lebten wir in vernünftigen Zeiten und Diether Dehm wäre Kulturminister, würde die bandbreite auf allen Wellen dudeln und uns mit easy sound und hartem Beat fit machen, körperlich und geistig“, tönte Elsässer bereits 2009 auf seinem Blog.(6) Ob das ein vergiftetes Geschenk war, mögen die Leser selber entscheiden. Jedenfalls brach Dehm noch 2011 öffentlich eine Lanze für die bandbreite. Besonders antideutsche Kreise kritisieren die Texte der Band und haben so 2011 ihren Auftritt auf dem UZ-Pressefest der DKP fast verhindert sowie zum Teil scharfe Diskussionen ausgelöst. Dort verteidigte Dehm die Musikgruppe bei einer Podiumsdiskussion: „Alles das ist so widerwärtig, dass ich diesen Flügel der ‘Antideutschen’ nicht unter ‘links’ laufen lassen kann. Das sind keine Linken, das sind Leute, die von innen her das Rot aus den Wangen der Linken saugen.“ (7)
Man muss nicht ins Fadenkreuz antideutscher Kritik geraten, um als Linker im schlimmsten Fall blass dazustehen. Für einen entsprechenden Aderlass reicht bereits, die bandbreite zu verteidigen, ohne ihre Aktivitäten näher unter die Lupe genommen zu haben. Tatsache ist, dass die Musikgruppe in rechten Kreisen auftritt, so u.a. beim Jugendverband der Schweizerischen Volkspartei und bei Veranstaltungen, wo auch der rechtslastige PR-Professor Michael Vogt anwesend war (s. Kasten). (8) Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auf die bandbreite und die Antideutschen, ihre objektive Rolle und Hintermänner einzugehen. Die Gefährlichkeit der Band ergibt sich aus Sicht der GEHEIM-Redaktion daher, dass sie versucht, unter einer falschen linken Flagge segelnd, Menschen und Stimmungen einzufangen und sie mit dem rechten Lager zu verbinden. Dass Dehm sich auch noch schützend vor die Band stellt, macht die Sache nicht besser.
Bei so viel augenscheinlicher Nähe einerseits und offensichtlichen Widersprüchen andererseits fragte das Magazin GEHEIM bei Dehm direkt nach. Der Politiker schrieb am 8. Dezember 2012 zurück: „Ich habe ‘Compact’ dieses Interview nicht gegeben. Es ist ein Nachdruck aus einer anderen Publikation. Wer anderes behauptet, wird von mir presserechtlich belangt.“ Weitere Fragen wollte der linke Barde nicht beantworten. GEHEIM bot ihm an, er könne bis zum Redaktionsschluss am 14. Dezember 2012, die Publikation, in der das Originalinterview erschienen ist, nennen und auch mitteilen, ob er wie ankündigt rechtliche Schritte gegen Elsässer eingeleitet hat. Dehm antwortete nicht.
Das Verhalten wundert, denn eine längere Fassung des Interviews findet sich im Internet auf einer unverfänglichen Seite. Der chilenische Sänger Pablo Ardouin hat es, laut Publikationsdatum, schon am 31. Juli 2012 auf seinem Blog gepostet.(9) Ob das die „andere Publikation“ ist, die Dehm meint, bleibt aufgrund seines Schweigens ungeklärt. Nach bisherigem Kenntnisstand ist es der einzige Ort, wo dieses Interview erschienen ist. Unter den insgesamt 34 Blog-Einträgen (5 in 2012), die fast alle auf Spanisch verfasst sind, ist es der Einzige auf Deutsch und zu dieser Thematik. (Stand 11.12.12). Die Fehler im mutmasslichen Original und in den Auszügen auf „Elsässers Blog“ sind dieselben. Das und das Publikationsdatum stützen Dehms Behauptung, wonach Compact das Gespräch nachgedruckt haben könnte. Aber mit wessen Zustimmung geschah das? Und warum in dem Magazin mit Scharnierfunktion nach rechts und nicht einem der üblichen als links geltenden Medien?
Das hätte immerhin Dehms Image entsprochen, der auch gerne mit seinem Antifaschismus kokettiert. Auf seiner Homepage spricht er von dem Musikerkollegen als seinen „chilenischen Freund“. Im Juli 2010 verbrachten sie gemeinsam einen „Arbeitsurlaub“ in Italien, so das Mitglied des Bundestages.(10) Dort besuchten sie eine „’Legende’“, wie Dehm schreibt, „den 95jährigen Baron Guglielmo Mozzoni, der den Waffenstillstand zwischen SS und Partisanen zur Abreise Mussolinis am 22. April 1945 mit aushandelte.“ Weiter heißt es: „Der antifaschistische Aristokrat lebt heute auf seinem Schloss als Maler. Außerdem gehört ihm und seiner Frau der ‘Corriere de la Sierra’.“
Der Chilene schreibt über sich in der dritten Person, dass er „von Victor Jara persönlich Anfang der 1970er Jahre als bester politischer Nachwuchssänger Chiles ausgezeichnet“ wurde. Dann „floh [Ardouin, IN] vor der Pinochet-Diktatur in die Bundesrepublik und lebt heute in Niedersachsen.“ Laut Wikipedia erfolgte die Ausreise 1983. Dehm und Ardouin verbinden auch gemeinsame Auftritte, die unter anderem im Rahmen der PdL stattfanden. Das „Interview Pablo Ardouin mit Diether Dehm“ scheint, wie man es auch betrachten mag, ein Freundschaftsdienst gewesen zu sein.
GEHEIM hat ebenfalls Elsässer und die Compact-Redaktion gebeten, klarzustellen, ob es sich um einen Nachdruck handelt oder um ein selbstproduziertes Interview. Trotz mehrmaligen Nachfragens lag bis zum Redaktionsschluss keine Antwort vor. Auch der Versuch, das gedruckte Heft 09/2012 über den Online-Shop des Magazins zu kaufen, schlug fehl: Die CompactMagazin GmbH überwies die per PayPal vorbezahlten 5,80 Euro zurück. „Wir können den Auftrag nicht annehmen“, teilte sie dem Käufer mit. Nach Aussage des Buchhandels ist das Heft nur über den Verlag zu bekommen. Da Compact weder fähig noch willens ist, ein Exemplar der Printversion geschweige denn das umstrittene Interview zu schicken, trägt der Verlag mit dazu bei, dass das Medium tatsächlich nur „von ferne“ gelesen werden kann.
„Wer schweigt, stimmt zu“ pflegt der Volksmund zu sagen. Ob auch Elsässers Schweigen und das seiner Redaktion so zu interpretieren sind, sei dahingestellt.
Immerhin würde es von schlechtem journalistischen Stil zeugen, wenn das Magazin ein bereits publiziertes Gespräch als „COMPACT-Interview“ ausgewiesen haben sollte. Eine Pressekammer müsste urteilen, ob das Magazin eine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt hat, als es in dem Offenen Brief an ver.di Dehm als Interviewpartner bezeichnete, den man selbst gewonnen hätte. Es obliegt dem Musiker oder dem mutmasslichen Originalinterviewer Ardouin, die entsprechenden rechtlichen Schritte einzuleiten.
Da Elsässer weiterhin (Stand 15.12.12) von einem „COMPACT-Interview“ spricht, und Dehm dazu schweigt, stellt sich zwangsläufig die Frage, warum sich der Musiker und sein chilenischer Freund nicht öffentlich gegen diese Vereinnahmung wehren? Haben sie vielleicht dem mutmasslichen Nachdruck zugestimmt? Warum nutzen sie nicht die Gelegenheit, um offen zu Elsässer und seiner Querfront Position zu beziehen?
Da Compact die Gewerkschaft ver.di auch der Lüge bezichtigt, darf man fragen, wer hier eigentlich falsch informiert. Ein Nachdruck ist nicht dasselbe wie ein selbstgeführtes Interview. Aber anscheinend ist dem Compact-Chefredakteur mittlerweile jedes Mittel recht, um sich im Gespräch zu halten und weiter nach links zu expandieren.
Der Chefredakteur und sein Medium haben, wie erwähnt, ein Wahrnehmungsproblem, denn entweder wird über sie in Deutschland nicht oder nur negativ berichtet. Daraus versuchte der ehemals linke Journalist eine Tugend zu machen, indem er die alte PR-Maxime kopierte, wonach auch Negativberichterstattung gut ist, sofern denn überhaupt berichtet wird. Da letzteres selten der Fall ist, greift Elsässer schon mal zur Provokation. Aber auch dabei wirkt er gar nicht originell, sondern zieht es lieber vor, die Bild-Zeitung zu kopieren. Heraus kommen dann Magazin-Titel wie „Der Irre von Tel Aviv“. Gemeint ist der israelische Premier Benjamin Netanjahu. Die prozionistischen und antideutschen Kreise freuen sich über diese Gratismunition, mit der sie weiter auf ihr Feindbild Elsässer und alle, die zu nahe neben ihm stehen, feuern können. Ansonsten erreicht die Compact-Provokation nichts, außer dass sie tatsächliche und vermeintliche Interviewpartner in Misskredit bringt.
Dass sich die Bild kritisieren, aber nicht abkupfern lässt, hätte Elsässer eigentlich wissen müssen. Schließlich war kurz zuvor sein ehemaliger Brötchengeber, die Berliner Tageszeitung junge Welt, mit einem ähnlichen Versuch, Aufmerksamkeit zu erhaschen gescheitert. Zum 60. Geburtstag des Springer-Blatts kam sie mit einer gecoverten Titelseite heraus, deren Qualität bestenfalls zum Fremdschämen reichte.
„Schuster bleib bei deinen Leisten“, rät der Volksmund, aber das ist nun mal nicht kompatibel mit dem Wesen des Querfrontprojekts von Elsässer, der schon lange kein Linker mehr ist.
„Aber Elsässer ist doch ein Linker“, bekommen Kritiker beschwichtigend zu hören, und fragen sich, was noch alles geschehen muss, bis sich dieser Nimbus endlich auflöst. Und dafür muss man kein Antideutscher sein, wie GEHEIM seit fünf Jahren kontinuierlich bewiesen hat.
Allein in Anbetracht der Zusammenarbeit des Inlandsgeheimdienstes mit der NPD in Thüringen und ganz zu schweigen vom NSU-Komplex bedarf es in diesem Land einer linken, ergo antifaschistischen Partei, die Staat, Behörden und Neonazis kontrolliert und Missstände inner- und außerhalb der Parlamente publik macht. Die dafür nötige Glaubwürdigkeit schwindet aber umso schneller, je näher als links bekannte Persönlichkeiten an – vom antifaschistischen Blickwinkel her betrachtet – extrem rechte Positionen und deren Vertreter heranrücken. Immerhin trägt der Ex-Journalist von Konkret und jungle World, junge Welt und ND sein Scherflein dazu bei, um ihn von der Last, als ewiger Linker gelten zu müssen, zu befreien. Ein Blick auf sein Blog hilft vielleicht auch seinen alten linken Bewunderern, die Augen vor der neurechten Wandlung ihres Vorbilds und Kollegen zu öffnen.
Nach dem 4:4 im jüngsten Fussballspiel Deutschland gegen Schweden, liess Elsässer seinem neudeutschen, rassenbiologischen Chauvinismus freien Lauf:
„Tut mir leid, ich sehe das nicht nur sportlich. Wie kann man 4:0 vorne liegen und das Spiel nicht nach Hause schaukeln? Das wäre früher in Deutschland unmöglich gewesen. Das gab’s vielleicht in Afrika, wo man aus Spaß an der Freud herumkickt. Aber zu den deutschen Tugenden gehört nun mal NICHT ‘Spaß an der Freud’, sondern Schaffen, Ackern, Planen, Organisieren, Durchhalten. Andere Nationen sind genial im Kreativen, im Künstlerischen, im Improvisieren, und am Schluss ist das Ergebnis auch toll. Aber unsere Stärke ist was Anderes, das vorher genannte. Mir san mir. Jedem das Seine. Kein Volk ist schlechter als das andere. Aber absolut TÖDLICH ist das Vermischen: Wenn den Deutschen ihr Fleiß und ihre Kampfkraft ausgetrieben werden soll – und die heißblütigen Südländer ans Kreuz der preußischen Arbeitsdisziplin geschlagen werden.“ (11)
Der Compact-Chefredakteur redet der Reinheit der Abstammung das Wort, wenn er „das Vermischen“ als „tödlich“ bezeichnet. Und in Kombination mit dem Motto „Jedem das Seine“, das am Haupttor des ehemaligen KZ Sachsenhausen prangt, verweist der Ex-Linke indirekt auf einen Ort, wo die SS etliche Tausende von Deutschen und Nichtdeutschen unter Rückgriff auf die von ihm so gepriesenen „deutschen Tugenden“ ermordete. Hier stellt sich die Frage, die aus Gründen des Presserechts eine offene und keine rhetorische ist, ob Elsässer diesen Eindruck erwecken wollte. Wer sich seine Editorials durchliest, wird feststellen, dass dies kein Einzelfall ist, sondern seiner gewendeten Denke entspringt.
Schon bei der Vorstellung seines Magazins übte Elsässer den Schulterschluss mit der Wochenzeitschrift Junge Freiheit (jF), die auf der Schnittstelle zwischen rechtem Konservatismus und Rechtsextremismus liegt. jF-Chefredakteur Dieter Stein nahm ebenso an dem Event teil wie die „patriotische Rapperin“ Dee-Ex, die sich von „Querfrontdiplomaten“ umgeben sah.
Unter „Querfront“ versteht man zumindest in Deutschland den Versuch, rechtsradikale Positionen und Personen mit linken zu verbinden. Ein historisches Beispiel stellt der sogenannte Strasser-Flügel dar, der innerhalb der NSDAP demagogisch versuchte, sich nicht zum „Büttel des internationalen Kapitals“ zu machen, das den sich wirtschaftsliberal verstehenden „Führer“ Adolf Hitler finanziell unterstützte und gesellschaftlich hoffähig machte. Den Finanziers des Nazi-Chefs war es zuwider, dass Gregor Strasser besonderen Wert auf das Adjektiv „sozialistisch“ im Parteinamen legte und dabei extrem „populistisch“ agierte. Hitler, der seine Vormacht gefährdet sah, entledigte sich des Rivalen in der „Nacht der langen Messer“ (1934) und unterstrich so erneut, dass seine NSDAP eine willige Gehilfin der deutschen Wirtschaft und Industrie war, die ihre imperialen Interessen unter dem Banner des Hakenkreuzes in Europa und weltweit erkämpft sehen wollten. Von den innerparteilichen Machtkämpfen abgesehen, war Strassers Querfront bis dato ein Mittel, um links denkende Menschen ins rechte Lager zu verführen und Parteien wie SPD und KPD nachhaltig zu schwächen. Nach der Machtübergabe im Januar 1933 setzte die Hitler-Regierung auf Mord und Totschlag, um das linke Spektrum zu liquidieren. 1956 schuf sich die Adenauer-Regierung mit dem KPD-Verbot das für sie passende Mittel, um dem überlebenden Rest der kommunistischen Bewegung in Westdeutschland das Rückgrat zu brechen.
Unterhalb dieser Repressionsebene und parallel zu den Medienkampagnen gegen die heutige Linke siedelt sich Elsässers Querfront an. Diese trat zunächst als sogenannte „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“ auf den Plan. Elsässer öffnete sie allen, die sich gegen den „bewussten Angriff des angloamerikanischen Finanzkapitals“ wehren wollten. Die „entscheidende Rolle“ in diesem Kampf schrieb er dem „Nationalstaat“ zu und nannte als Ziel „die entschädigungslose Nationalisierung des Finanzsektors“. Zustimmung erhielt Elsässer vom stellvertretendem NPD-Vorsitzenden Holger Apfel, der konstatierte: „Mit den Forderungen, die er in seinem Gründungsaufruf vertritt, hat er sich NPD-Positionen nicht angenähert, nein, er vertritt NPD-Positionen.“(12)
Zwar distanziert sich Elsässer in diversen Beiätrgen von der Neonazi-Partei, spricht sich aber gegen ihr Verbot aus. Über den Wert dieser Distanzierung kann man streiten, da der Polit-Konvertit mit Michael Vogt einen politischen Mitstreiter an seiner Seite hat, der über enge Verbindungen zur jF und NPD verfügt. Bestimmte Kreise zwischen diesen beiden Polen bejubeln Vogts Film „Geheimakte Heß“.(13)
Dass Elsässer bewusst die Nähe zu Personen sucht, mit denen sich konsequente Antifaschisten noch nicht einmal an einen Tisch setzen würden, zeigt sich im Fall Karl Albrecht Schachtschneider. Der Staatsrechtler fertigte im Auftrag der NPD ein Rechtsgutachten zum EU-Verfassungsvertrag an. Die Rechtslastigkeit des Jura-Professors lässt sich mühelos per Google-Recherche belegen. Am 10. März 2009 war „der renommierte Staatsrechtler“ zu Gast bei proKöln, wie die rechtsextreme Partei auf ihrer Webseite schreibt. Er referierte dort „über Fragen der Religionsfreiheit im Zusammenhang mit dem Islam und geplanten Großmoscheebauten“. Die Rechtsextremisten mobilisieren regelmäßig gegen den Bau einer Moschee im linksrheinischen Köln. Die NPD goutierte den Auftritt des Staatsrechtlers am 16. März 2009 mit einem Beitrag, den sie mit dem Übertitel einleitet: „Prof. Schachtschneider bei EU-Verfassungsgegnern aller Couleur gefragt“. Da der Jurist auch der jF am 17. Juni 2008 ein Interview gab, kann man davon ausgehen, dass es sich bei seiner Präsenz in diesem Spektrum nicht um einen Irrtum handelt, sondern diese auf Freiwilligkeit beruht. Ebenso wenig war Schachtschneider gezwungen, für die NPD das erwähnte Rechtsgutachten zu stellen. Er hätte dieses Anliegen ablehnen können. Diese Fakten legen nahe, dass es sich bei Karl Albrecht Schachtschneider um einen „Überzeugungstäter“ handelt.
Elsässer dient er, um Kontakte in den Rechtsextremismus zu knüpfen und gleichzeitig ins bürgerliche, euroskeptische Spektrum hineinzuwirken. Parallel versuchte der Querfrontler, auch links an Boden zu gewinnen. Zum einen lud er den ehemaligen DDR-Staatsekretär und Autor des Neuen Deutschland, Klaus Blessing, zu Diskussionen ein, zum anderen fand er in Stephan Steins jemanden, der unter falscher Flagge im DKP-Umfeld für sein „linkspatriotisches Projekt“ zu werben versuchte.
Das mag ein Grund dafür gewesen sein, warum Compact ein Interesse daran hatte, ein Interview mit dem PdL-Bundestagsabgeordneten Diether Dehm direkt zu führen oder wenigstens nachzudrucken. Der linke Politiker ist ein anderes, da schwereres und weitreichenderes Kaliber als sein Parteifreund Blessing.
Träte Dehm offen der Querfront bei, hätte Elsässer einen Mitstreiter an seiner Seite, der ein Feld abdeckt, das von der DKP über die PdL bis jenseits der sogenannten „Neuen Mitte“ reicht. Der Bundestagsabgeordnete hat sich als Musiker und ehemaliges SPD-Mitglied vor allem in Westdeutschland einen Namen gemacht. Auf seiner Facebook-Seite zeigt er sich als Verteidiger von Oskar Lafontaine gegen den parteiinternen Flügel um dessen Kontrahenten Dietmar Bartsch. Auch pflegt Dehm sein linkes Images durch regelmäßige Auftritte u.a. bei DKP-Veranstaltungen. Darüber hinaus ist er als Geschäftsführer der Edition Musikant GmbH unternehmerisch tätig und versucht, neue Medienprojekte anzustoßen. Dazu gehört auch das Internet-Fernsehen weltnetz.tv, das „Gegenmedium“ laut Dehm. Daher darf man seine Rolle als Multiplikator nicht unterschätzen.
Gerade deshalb wäre es wünschenswert gewesen, wenn sich Dehm eindeutig für oder gegen Elsässer positioniert hätte. Das sogenannte „COMPACT-Interview“ wäre ein guter Anlass dafür gewesen.
Unabhängig davon hat Dehm der GEHEIM-Redaktion gegenüber nicht bestritten, die von Elsässer zitierten und von Ardouin geposteten Äußerungen gemacht zu haben – wenn auch nicht, wie er betont, Compact gegenüber.
Dass dem Musik- und Medienunternehmer anscheinend eine Haltelinie nach rechts fehlt, zeigt nicht nur der Umstand, dass er gegen das sogenannte „COMPACT-Interview“ nicht rechtlich vorgegangen ist. Denn auch im Gespräch mit Ardouin erweckt er den Eindruck, als ob das alte Rechts-Links-Schema und bestimmte No-Go-Areas für ihn nicht mehr bestünden. So sagt der Musik-Impresario über das politische Solidaritäs-Lied „Was wollen wir trinken“ und andere Stücke: „Die Songs nahmen Wege von weit links in die Mitte der Gesellschaft. ‘Was wollen wir trinken’ war 1978 für das Rock gegen Rechts-Festival gegen den NPD-Bundesparteitag in Frankfurt gemacht worden, und heute ist es auf CDs mit Partykrachern – was mich übrigens gar nicht stört. ‘Das weiche Wasser’ habe ich für die niederländischen bots und gegen die US-Raketen im Oktober 1981 geschrieben, später auf Wunsch von Willy Brandt für die 125-Jahr-Feier der SPD als Parteihymne modifiziert.“(14)
Gefragt nach seiner Nähe zu Peter Gauweiler, der sich in den 1980er Jahren einen Namen als „Rechtsaußen“ in der CSU gemacht hat, antwortet Dehm im Ardouin-Interview:
„Der hat, wir [sic] wir Linken, gegen Kriegseinsätze gestimmt, gegen den permanenten Banken-Rettungsschirm ESM und, wie Gewerkschafter und wir, gegen den Fiskalpakt geklagt. Gregor Gysi hat sogar für unsere Fraktion Gauweilers Klage gegen Afghanistan-Einsätze damals voll übernommen. Bei seinen Klagen gegen den Lissabon-Vertrag geht Gauweiler zwar mehr von der nationalen Souveränität aus, während wir eher vom Sozialstaatsgedanken ausgehend Demokratie, Rechtsstaat und Grundgesetz verteidigen. Gauweiler streitet aber auch gegen Holocaust-Leugner, sowohl gegen den althergebrachten als auch gegen den Neo-Rassismus, der sich mit Neoliberalismus paart. Diese neue Herrenmenschenideologie findet sich etwa bei dem Massenmörder Anders Breivik, der sich in seinem Manifest-Kauderwelsch auf neoliberale Eliten in Pentagon und Wallstreet, im Likud und sogar auf den Hetzer Hendryk Broder beruft. Das ist durchaus eine neue Gefahr von rechts.“(15)
Diese beiden Passagen waren Elsässer interessant genug, um sie auf seinen Blog zu nehmen. Interessant ist, dass laut Dehm der norwegische Einzeltäter einen neuen gefährlichen Bezugspunkt im rechten Spektrum darstellt. Angesichts der 77 Toten, die auf Breiviks Konto gehen, mag man darüber streiten, ob der PdLer damit indirekt und vielleicht unbewusst die Mordbilanz der NSU mit 10 Todesopfern relativiert, ganz zu schweigen von den neonazistischen Angriffen gegen Ausländer und Linke, die „nur“ zu Körperverletzungen führten. Dem nicht genug: Dehm fungiert damit zumindest objektiv als „Stichwortgeber“ für Elsässer. Im PR-Interview mit dem geschassten Radiomoderator Ken Jebsen, „KenFM“, übernimmt der Compact-Chefredakteur die genannte Dehmsche Verortung von Breivik, um den Vorwurf abzuwehren, er sei ein Rechter.(16)
Der PdL-Abgeordnete muss sich aber auch fragen lassen, wie er als Linker, wenn er sich denn als solcher begreift, zu in Deutschland umstrittenen Begriffen wie „Heimat“, „Nation“, „Souveränität“ usw. steht. Auf Ardouins Frage, ob er sich als „Linksnationaler“ bezeichne, antwortet Dehm:
„Ich bin im Sinne Gustav Heinemanns Verfassungspatriot. Unser Grundgesetz hat mit Sozialstaatlichkeit, Angriffskriegsverbot, Vergesellschaftungsartikel 15, demokratischer Gewaltenteilung die großartigsten Vorsätze der Welt! Außerdem: Ohne Thomas Mann, Beethoven, Brecht und Eisler kann europäische Kultur ebenso wenig von unten wachsen, wie ohne Verdi, Picasso und Balzac. Die Liebe zu dem, was vielen Menschen Heimat wurde, darf weder pseudolinkem Snobismus geopfert, noch kampflos braunen Okkupatoren überlassen werden. Zur deutschen Liedkultur gehören immer auch die der verfolgten Arbeiterbewegung.“
Die Antwort weicht den grundlegenden Fragen – Was ist Links? Was bedeutet „national“ für einen deutschen Linken? – aus. Damit überlässt Dehm kampflos das Feld, einem Elsässer, der versucht, jene Begriffe nach rechts zu entführen und sich so der Definitionshoheit zu bemächtigen.
Im Übrigen wundert das Verhalten des PdL-Politikers wenig, entspricht es doch dem ideologischen und politischen Zerfall, den seine Partei seit dem Göttinger Parteitag in Szene setzt.
Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre hat die PdL, vor allem ihr ostdeutscher Kern, viele Positionen, die einst die DDR charakterisierten, über Bord geworfen. Der Prozess entspricht dem der Grünen, die sich 1999 des Pazifismus als ihr letztes wichtiges Merkmal entledigten. Zuvor waren es linke Forderungen gewesen, die unter dem Übergriff „Fundamentalismus“ zuerst diskriminiert und dann eliminiert wurden. Dieser Häutungsprozess dauerte mehrere Jahrzehnte und erfolgte inmitten einer konzertierten Kampagne von Staat, Politik und Medien. An deren Ende galten die Grünen unter Joseph Martin „Joschka“ Fischer als regierungsfähig, um gemeinsam mit der SPD das abgewirtschaftete Regierungssystem Kohl abzulösen. Ihre endgültige Befähigung zum Regieren erwarben sie sich, als sie den völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien mittrugen.
Die PdL – und vor allem jener Teil, der aus der PDS stammt – hat durchaus vergleichbare Canossa-Gänge durchmachen müssen. Am Anfang standen die Prozesse gegen bekannte Parteimitglieder wie Hans Modrow (auch diesen nennt Elsässer als Interviewpartner) wegen angeblicher Straftaten, die sie im Auftrag des „DDR-Unrechtsstaates“ begonnen haben sollen. Es folgte die Welle von „Stasi-Vorwürfen“ wie im Fall von Gregor Gysi und Diether Dehm, bis hin zur kampagnenartigen Negativberichterstattung über Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht („Hummer-Sahra“), Ulla Jelpke und Klaus Ernst („Porsche-Ernst“), um nur einige zu nennen. Darüber hinaus übernimmt der Inlandsgeheimdienst im Bund und in den Ländern, wo es ihm und der herrschenden Meinung opportun erscheint, das Schnurriegeln des politischen Umfelds der Partei, indem es Menschen, Organisationen und Publikationen im sogenannten „Verfassungsschutzbericht“ nennt, oder eben nicht.
Alle diese Maßnahmen zeigten Erfolg: Schritt für Schritt wandten sich die sichtbaren Köpfe aus PDS/PdL vom Erbe der DDR ab und näherten sich Positionen, die der neue Berliner Staat vorgab: Ehrung der „Stalinismus-Opfer“, keine Teilnahme an der traditionellen Liebknecht-Luxemburg-Lenin-Demo in Berlin bis hin zur Übernahme westdeutscher Sicht- und Denkweisen. Nach dem rechten Flügel der PdL ist jetzt auch ihr linkes Pendant auf diese Linie eingeschwenkt. So pflegt Wagenknecht neuerdings den Macher des bundesdeutschen Wirtschaftswunders, Ludwig Erhardt, zu huldigen. Folgende Beispiele markieren den flügelübergreifenden Richtungswechsel der Partei. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass eine Reihe von PDS/PdL-Politikern von Beginn an und ganz offen eine möglichst deutliche Distanz zum „realen Sozialismus“ in der DDR einnahmen wollten, manche gar eine entsprechende Rolle als „Gorbatschowisten“ noch zu Zeiten der DDR spielten. In der Summe erklärt sich, wie die Partei auf den aktuellen Kurs getrimmt wurde.
Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel attestierte im Juli der einstigen Vorsitzenden der Kommunistischen Plattform innerhalb der PdL, Sahra Wagenknecht, dass sie in der Berliner Republik angekommen ist. „Erzliberales Manifest“ nannte es ihre Ideen zur Euro-Rettung.(17) Der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, gab sich die Ehre, Wagenknechts Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ vorzustellen. Mit von der Partie war Peter Gauweiler. Der „CSU-Rebell“ lobte das Werk „über den grünen Klee“, stellte das Handelsblatt fest. (18) Nicht nur das: Der bayerische Hardliner schrieb auch eine positive Rezension zu dem Opus. Seine Nähe zu Vertretern des sogenannten linken Flügels der PdL, sei es bei Dehms 60. Geburtstag oder bei anderen Gelegenheiten mit Lafontaine und Wagenknecht, beflügelt Querfront-Ängste und -Träume.(19) Ob diese jemals, wie es Elsässers schon seit 2009 vorschwebt, zu einem „Bündnis von Lafontaine bis Gauweiler“ führen können, muss die Zukunft zeigen. Bereits sichtbar ist aber, dass diese gelebte Positionslosigkeit zu einer weiteren politischen und ideologischen Erosion der PdL führt.
Neben dem Antifaschismus war ein Charakteristikum der DDR im Gegensatz zur BRD die von ihr gelebte internationale Solidarität, besonders die mit den Völkern Palästinas und Kubas. Erstere ist seit der ersten Gaza-Flotille, die 2010 im israelischen Blutbad endete, nicht mehr politisch opportun. Das zeigte die Parteiführung mit ihrem Verhalten, als Israel Linken-Politiker, die sich damals an Bord der geenterten Schiffe befanden, in Haft nahm.
Und auch die Solidarität mit der kubanischen Revolution steht seit diesem Sommer zur Disposition. Zum 86. Geburtstag von Revolutionsführer Fidel Castro gab es keine Glückwünsche mehr aus dem Karl-Liebknecht-Haus. Der Berliner Tagespiegel (13.8.2012) zitierte den Ko-Vorsitzenden Bernd Riexinger mit der Feststellung: „Wir haben, glaube ich, gerade drängendere Probleme.“ Dem Comandante zu gratulieren, betrachtet die Partei neuerdings als ein Problem. 2011 hatte die bürgerliche Presse die damalige Parteispitze – Klaus Ernst und Gesine Lötzsch – wegen einer kämpferischen Gratulation derart unter Druck setzen können, dass diese sich damit herausredete, sie hätte das Schreiben nicht gelesen und ein Unterschriftenautomat habe es mit ihren Namen signiert. Wenn die PdL dann doch mal, Flagge zeigen will, muss sie Linke mit klaren Standpunkten aus Lateinamerika einfliegen lassen.
So machte Valter Pomar von der brasilianischen Partei der Arbeit im Juni bei einer Veranstaltung der PdL im Reichstag deutlich, dass man in Lateinamerika nicht verstehen könne, wie selbst Vertreter linker Parteien und Bewegungen etwa im Fall für Syrien für eine NATO-Intervention plädierten. „Das syrische Volk hat natürlich das Recht – sogar in einem Bürgerkrieg – die politische Führung zu stürzen“, zitiert das Internetportal amerika21.de den PT-Politiker (20.6.2012). Pomar stellte weiter klar, dass die Vereinigten Staaten „eine kriminelle Macht“ seien, von der niemals eine Stärkung von Menschenrechten zu erwarten sei. Das war wie Salbe auf die geschundene Seele manches PdL-Mitglieds, aber es blieb folgenlos.
Erst kürzlich brachte der kubanische Sänger Silvio Rodríguez die Sache auf den Punkt, als er in einem Blog schrieb: „um zur Linken zu gehören, ist es unumgänglich, antiimperialistisch zu sein.“
Diese klaren Aussagen entspringen einer Positionierung und Haltung, die diametral zu der hierzulande gepflegten Beliebigkeit stehen.
Stattdessen schraubt die PdL kräftig weiter an ihrer Selbstdemontage. Das „wilde Gekuschel“ der beiden Fast-Politpensionäre Gauweiler und Lafontaine dient bestenfalls, um die Klatschspalten zu füllen, entbehrt aber des Nährwerts für die aktuelle Politik. (20) Vielmehr vergrößert es, wie die Nähe von Dehm zu Elsässer, die Orientierungslosigkeit der Linken inner- und außerhalb der Partei. Der Compact-Querfront ermöglicht sie, kampflos in neue linke Weiten vorzustoßen. Ob diese dort Terrain gewinnen kann, ohne politisches Gebiet am rechten Rand zu verlieren, ist fraglich. Ebenso lassen sich die Erfolgsaussichten für Elsässers schwarzrotes Bündnis im Augenblick nur schlecht abschätzen, weil einige wichtige Faktoren nicht bekannt sind. Unklar ist, wie sich einerseits die Euro-Krise auf Deutschland auswirken wird. Andererseits verweisen Parteiforscher darauf, dass die Wählerschaft im Moment nicht bereit ist, bei Bundeswahlen einer unbekannten Partei ihre Stimme zu geben.
Die Verliererin steht allemal fest: Die PdL macht sich überflüssig, da es in Deutschland bereits eine sozialdemokratische Partei gibt, die allein schon in Sachen Kuba und Palästina auf der Seite Washingtons und Tel Avivs steht. Darüber hinaus überlässt sie in der ideologischen Auseinandersetzung wichtige Felder wie die Definition von „Souveränität“ und damit verbunden die Begrifflichkeit von „Nation“ und „Volk“ den Neurechten à la Elsässer. Schließlich stellt die PdL den antifaschistischen Grundkonsens zur Disposition, wenn sie nicht in der Lage ist, sich vom rechten Spektrum sichtbar abzugrenzen.
Elsässers Grundproblem bleibt im Moment, dass die Mainstreammedien und -Parteien ihn noch nicht wahrnehmen wollen. Zwar wildert er ungeniert im linken Feld, aber das bürgerliche Zentrum mag dem rechtsnationalen Konvertiten noch nicht die Hand reichen.
Mit Blick auf 2013, dem Jahr der Bundestagswahl, und in Anbetracht der Möglichkeit, dass die Folgen der Euro-Krise auch hierzulande zu spüren sein könnten, bedarf es einer konsequenten linken Kraft. Bei der Befasstheit der Linken in Deutschland gehört selbige mittlerweile auf den weihnachtlichen oder auch österlichen Wunschzettel.
So hat die Tageszeitung junge Welt selbst vor ihrem finanziellen Aus gewarnt. Nach ihrer Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2013 will sie die Öffentlichkeit darüber informieren, ob die Rettungsaktion im letzten Quartal geholfen hat oder nicht. Mit Blick auf die am Tag darauf folgende Demonstration zu Ehren von Luxemburg, Liebknecht und auch Lenin mutet das Thema ihrer Abschlussdiskussion wie ein Menetekel an: „Der Feind steht links“.
Die Ironie ist, dass der Differenzierungsprozess innerhalb der PdL dazu einlädt, den Titel der Veranstaltung umzudeuten. Ähnlich wie in Sachen Fidels Geburtstag schafft sich ein Teil der Partei die Umgebung, die er gerne hätte: So wird es am 13. Januar 2013 erstmalig zwei Demonstrationen zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geben. Die Neuinterpretation von dem, was als „links“ in diesem Staat gelten darf und was nicht, ist in vollem Gange.
Verlierer kann dabei im Wahljahr 2013 nur die PdL sein. Es gibt Planspiele ihrer politischen bürgerlichen Konkurrenz, die mit einem Szenario operieren, wonach der zukünftige Bundestag nur noch aus CDU/CSU, SPD und Grünen bestehen könnte. Da die Umfragen der PdL im Augenblick 7 bis 8 Prozent der Wählerstimmen zurechnen, mögen diese Gedankenspiele verwegen klingen. Aber die kommende Landtagswahl in Niedersachsen wird entscheiden, ob sich diese Lage im Bund umsetzen liesse. Mal abwarten, welche Folgen ein mögliches Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde für die Bundespartei nach sich ziehen wird. Klar ist, dass SPD und Grüne kein Interesse daran haben, dass die PdL wieder in den Reichstag einzieht. Deshalb zeigen sie den Avancen der linken Parteispitze die kalte Schulter. Ohne PdL, FDP und Piraten hätte Rot-Grün zumindest mathematisch die Möglichkeit, Merkel abzulösen. Aus Sicht der regierenden CDU/CSU muss das Hauptziel sein, stärkste Partei zu werden. Damit sie allein regieren kann, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Die drei kleinen Parteien scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde, und die CDU muss ihren Vorsprung vor Rot-Gün noch weiter ausbauen.
Ob sich dieses Szenario herstellen lässt, ist noch fraglich, weil es einige Faktoren gibt, die sich Ende 2012 nicht bestimmen lassen. So ist nicht klar, ob und wie sich die Euro-Krise 2013 auf die deutsche Wirtschaft und Politik auswirken wird. Des Weiteren rechnet die Mehrheit der Bundesbürger noch mit einer Großen Koalition von CDU/CSU und SPD. Und im Moment muss die CDU noch berücksichtigen, dass die PdL zumindest auf einige Direktmandate im Osten der Republik hoffen darf. Träte dieser Fall ein, würde das ihren rechten Flügel stärken, der schon seit langem eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen anstrebt. Schafft die PdL den Einzug ins Parlament nicht, dann könnte der innerparteiliche Gegensatz zur Spaltung führen.
Die Folge wäre, dass sich viele linksfühlende Menschen wie schon nach 1989/90 aus dem politischen Leben ausklinken würden. Andere werden sich neu orientieren wollen, in einem linken Terrain, das aber verbrannt und verlassen zurückbleibt. In eben dieses Vakuum könnte Elsässers Querfront vorstossen, weil von ihm benannte „Leumundszeugen“ wie Dehm es vorzogen, lieber zu schweigen, anstatt sich zu positionieren.
GEHEIM-Redaktion
(1) s. Rubrik „No Querfront!“ auf www.geheim-magazin.de mit allen Artikeln und Statements zu dieser Problematik
(3) “Tausendmal berührt” – die Linke und das Volk http://juergenelsaesser.wordpress.com/2012/09/19/tausendmal-beruhrt-die-linke-und-das-volk/
(4) „Aktiv gegen rechte Zeitungen“ http://aktiv-gegen-diskriminierung.info/sites/aktiv-gegen-diskriminierung.info/files/pdfs/ebook_aktiv_gegen_extrem_rechte_zeitungen_apabiz_verdij_jugend.pdf
(5) http://www.compact-magazin.com/warum-compact-nicht-rechts-sein-kann/
(6) http://juergenelsaesser.wordpress.com/2009/04/01/antideutsche-faschos/
(7) Das UZ-Pressefest und die Auseinandersetzung um „die bandbreite“. Was ist los in diesem Land?http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16688
(8) Links zu diebandbreite: Auftritt von diebandbreite im September 2012 in „Neudeutschland“, wo auch Michael Vogt eine Rede hielt: http://www.diebandbreite.de/die-bandbreite-trat-auf-in-neudeutschland/ diebandbreite in Sankt Moritz – dazu Elsässer: http://juergenelsaesser.wordpress.com/2011/06/11/live-von-den-bilderbergern/ –
(9) http://pabloardouin.blogspot.de/2012/07/normal-0-21-false-false-false.html (10) http://www.dietherdehm.de/index.php?option=com_content&view=article&id=488:zu-besuch-bei-einer-legende&catid=57&Itemid=120
(11) 4:4 nach 4:0 – Deutschland schafft sich ab http://juergenelsaesser.wordpress.com/2012/10/17/44-nach-40-deutschland-schafft-sich-ab/
(12) zitiert nach http://www.ruhrbarone.de/was-macht-scholl-latour-bei-elsaesser/#comment-209381
(13) zu Vogt s. den Beitrag „Jürgen Elsässer. Das Letzte über den „nationalen Sozialisten“ und Führer der Volksinitiative.Eine Netzwerk-Erweiterung“ von Jürgen Cain Külbelvon http://www.geheim-magazin.de/index.php?option=com_content&view=article&id=171:links-verfuehren-rechts-kopulieren&catid=58:noquerfront&Itemid=76 Antifa-Kampagne bringt PR-Professor der Uni Leipzig zu Fall http://www.jungefreiheit.de/Antifa-Kampagne-brin.154.98.html?&cHash=b4208a29ad&tx_ttnews%5BbackPid%5D=143&tx_ttnews%5Btt_news%5D=254 Honorarprofessor unter Rechtsextremismus-Verdacht http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/uni-leipzig-honorarprofessor-unter-rechtsextremismus-verdacht-a-516859.html
(14) Die fehlende Interpunktion entspricht dem zitierten Originaltext.
(15) Der Schreibfehler „wir“ anstelle von „wie“ findet sich sowohl bei Ardouin als auch bei Elsässer. (16) Elsässer bei KenFM: Über COMPACT, Gaza, Souveränitätskonferenz http://juergenelsaesser.wordpress.com/2012/12/05/elsasser-bei-kenfm-uber-compact-gaza-souveranitatskonferenz/
(17) Sahra Wagenknechts erzliberales Manifest http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/sahra-wagenknechts-konzept-zur-euro-rettung-a-845862.html
(18) Eine Linke begeistert die Konservativen http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/wagenknecht-und-gauweiler-eine-linke-begeistert-die-konservativen/6607888.html
(19) Das Querfront Prommi-Duo Gauweiler-Lafontaine und der Sumpf drumherumhttp://inrur.info/wiki/DAS_QUERFRONT_PROMMI_DUO_GAUWEILER_LAFONTAINE_UND_DER_SUMPF_DRUMHERUM
(20) Wenn die Marsch-Musik bläst: Links, zwo, drei… http://www.europolitan.de/Kommentar_der_Woche/2009/32/Lafontaine-und-Gauweiler-in-Muenchen/304,502,32,2009.html Dehms Wunsch http://www.lafontaines-linke.de/2010/04/diether-dehm-geburtstag-feier/
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