Buch der Woche: Ingo Niebels „Baskenland 1936/37“

Mal sind es die Katalanen, deren Sezessionswünsche in die Schlagzeilen kommen, mal sind es die Basken, deren Bestreben, sich von der spanischen Krone loszusagen, für Unruhe in Madrid sorgt.

(njuuz) Die Basken leben in Frankreich und in Spanien, sind aber in beiden Ländern nie heimisch geworden. Eine eigene staatliche Souveränität erlangten sie südlich der Pyrenäen im spanischen Bürgerkrieg. Auch in Deutschland bekannt ist die Stadt Gernika, auf die die „Legion Condor“ am 26. April 1937 einen verheerenden Luftangriff startete, bei dem Hunderte Menschen umkamen. Der deutsche Faschismus griff bekanntlich auf der Seite Francos in den Bürgerkrieg ein: Testlauf für den Zweiten Weltkrieg. Dem Gemetzel widmete Pablo Picasso eines seiner bekanntesten Gemälde.

„Constituido siete octubre gobierno estado vasco libre“ (Gebildet siebter Oktober Regierung freien baskischen Staates). Mit diesen Worten begann ein Telegramm, in dem das Präsidialamt der baskischen Regierung die österreichische Gesandtschaft in Paris im Herbst 1936 darauf hinwies, dass nicht mehr der spanische Zivilgouverneur die baskischen Provinzen in Nordspanien kontrolliere, sondern ein neuer Akteur die politische Bühne betreten habe. Übrigens lag auch die Zentrale der militärischen Verschwörung gegen die demokratische Republik im Baskenland, nämlich in Pamplona.

Der Historiker Ingo Niebel stellt in dieser ersten deutschsprachigen Monographie die Geschichte des Baskenlandes während des Spanischen Bürgerkriegs in allen ihren Facetten dar. Dazu hat er nicht nur die spanische und baskische Literatur ausgewertet, sondern stützt seine Darstellung auf umfangreiche Recherchen in spanischen und baskischen sowie erstmalig auch in deutschen Archiven. Niebel ist zuvor mit der unter Historikern hoch gelobten Untersuchung „Das Baskenland. Geschichte und Gegenwart eines politischen Konflikts“ (Wien 2009) hervorgetreten. Bei dem hier angezeigten Buch handelt es sich um die Doktorarbeit des Verfassers.

Das Ziel bleibt gleich, aber den terroristischen Methoden schwört man ab: Im Jahr 2011 entschied sich die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA), den bewaffneten Kampf einzustellen. „Seitdem kämpfen abertzale (patriotische) Baskinnen und Basken nur noch mit politischen Mitteln und gewaltlos für ihre Ziele, so wie es frühere Generationen bis zum Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs taten“ (Seite 12).

Die Agrarfrage, das Verhältnis Staat/Militär, die katholische Kirche und die „peripheren Nationalismen“ (Katalonien und Baskenland) nennt Niebel die „vier großen Konfliktfelder“ Spaniens (S. 96 f.). Die Kontinuität der 1936 betriebenen Staatsbildung als Ausdruck der nationalen Selbstbehauptung drückt sich – so fasst er die Ergebnisse seiner Arbeit zusammen – bis in die jüngste Vergangenheit in dem Plan eines baskischen „Freistaats“ (2004) und dem Vorhaben der baskischen Linken von 2010 aus, einen unabhängigen und sozialistischen Staat zu errichten (S. 442).

Ein Kompendium wird die Arbeit nicht zuletzt durch ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis, durch eine Chronologie, Karten und Bilder sowie das Personenregister. Ein großer Wurf.

MATTHIAS DOHMEN

(Quelle: njuuz)

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