(berriak-news/Ingo Niebel) Die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) hat am Samstag bei ihrem politischen Harakiri mit Löffel gezeigt, dass sie gut zwölf Stunden braucht, um diesen herein zu bekommen und ihren Generalsekretär Pedro Sánchez los zu werden. Trotz dieses drastischen Eingriffes dauert das Leiden an.
Seit dem „schwarzen Samstag“ der spanischen Sozialdemokratie bestimmt ein kommissarisches Gremium die Geschicke der Traditionspartei, die sich auf dem schmalen Grad zwischen Neugründung oder Absturz bewegt, obwohl das eine das andere nicht ausschließt. Im Moment ist nicht erkennbar, wie eine neugegründete PSOE aussehen könnte, da Dauer und Verlauf eines solchen Prozesses nicht erkennbar sind.
Spaniens Rechte reagiert auf die Krise prompt, indem sie eine Umfrage vorlegte, wonach die postfranquistische Volkspartei (PP) des ebenfalls kommissarisch regierenden Premiers Mariano Rajoy bei möglichen Neuwahlen (es wären die zweiten innerhalb eines Jahres) im Dezember deutlich an Stimmen zugewänne, während die PSOE als noch stärkste Oppositionspartei prozentual hinter ihrer linken Konkurrenz PODEMOS zurückfiele und im Parlament bestenfalls genauso viele Sitze wie diese erhielte. Im spanischen Pressewald hört man bereits, Rajoy könnte angesichts dieser Aussichten einen neuerlichen Urnengang forcieren. Es wäre die dritte Parlamentswahl innerhalb von zwölf Monaten. Damit es überhaupt so weit kommen kann, müsste der Rechtskonservative beim noch ausstehenden dritten Wahlgang zur Regierungsbildung die einfache Mehrheit im Parlament verfehlen. Das bedingt aber, die PSOE würde wie in der Vergangenheit gegen die PP und die rechtsliberale Ciudadanos stimmen. Anders sähe es aus, wenn sich die PSOE-Abgeordneten der Stimme enthielten. An dieser Frage war Sánchez gescheitert. Er blieb bei seinem „Nein ist nein“ zur PP, während seiner innerparteilichen Kritiker um Susana Díaz und dem Ex-Premier Felipe González zumindest für die Enthaltung eintraten. Der spanischen Politik fehlt die Erfahrung, in kleinen oder großen Koalitionen zu regieren.
Dieser Umstand kommt jetzt Rajoy und seiner PP zugute, die sich momentan in einer Win-Win-Situation befinden. Da sie trotz zahlreicher Korruptionsskandale bei der letzten Neuwahl im Juni an Stimmen zulegen konnten, muss man davon ausgehen, dass auch der heute beginnende Korruptionsprozess gegen ehemals führende PP-Persönlichkeiten Rajoy keinen größeren Schaden bereiten würde.
Im Augenblick schadet der drohende Niedergang der spanischen Sozialdemokratie auch deren linker Konkurrenz PODEMOS. Diese hatte bereits im Juni gut eine Million Wähler verloren. Somit verpasste sie die Möglichkeit, sich als zweitstärkste Kraft nach der PP und vor der PSOE zu etablieren. Ob sie diese Scharte bei einer erneuten Parlamentswahl ausgleichen kann, ist fraglich, da sie selbst landesweit und in den Regionen mit innerparteilichen Problemen zu kämpfen hat. Selbst wenn es ihr gelänge, die PSOE zu überrunden, ist immer noch fraglich, ob die neue sozialdemokratische Führung überhaupt willens wäre, mit ihr zusammen Rajoy als Regierungschef abzulösen.
Ein Regierungsbündnis von PSOE und PODEMOS mit Unterstützung durch katalanische und baskische Regionalparteien hätte zumindest theoretisch die Option hervorgebracht, dass sich die Madrider Zentralregierung konstruktiv und unter Wahrung der Interessen des spanischen Gesamtstaates in den baskischen Friedensprozess und bei der Lösung der katalanischen Frage hätte einbringen können. Die PP wird sich angesichts der Schwäche der PSOE und dem Nein der Kolumbianer zum Frieden mit der FARC in ihrer Verweigerungshaltung bestätigt sehen. Damit wird sie wie bisher keines der wichtigen Probleme lösen, sondern lediglich die gesamtspanische Politikunfähigkeit auf den nächsthöheren Level führen. Daher wundert es nicht, dass PP und PSOE im Baskenland und in Katalonien drastisch an Bedeutung verloren haben. Das erklärt unter anderem den Unterschied zwischen den beiden Regionen und dem Zentralstaat. Friedenssucher im Baskenland und Unabhängigkeitsbefürworter in Katalonien werden neue Wege und Mittel suchen müssen, um angesichts der Lage in Madrid ihre Ziele zu erreichen.
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