(berriak-news/Ingo Niebel) Zu meiner höchstpersönlichen Entdeckung der Woche gehören die „bastardisierten spanischen Lehnwörter“ im Baskischen. Sie bereichern meinen Erkenntnisschatz, seitdem Leo Wieland mich in seinem Artikel „Die Wahrheit der Patrioten“ (FAZ, 27.10.2016) auf sie gestoßen hat. Der Bericht ist eigentlich ein journalistischer Rundumschlag gegen baskische „Nationalisten“ im Allgemeinen und die Unabhängigkeitsbewegung im Besonderen. Aber er nutzt auch die Gelegenheit, um die Katalanen abzuwatschen. Dazu gleich mehr.
„Was ihr Idiom angeht, welches nur ein beschränktes altertümliches Vokabular hat und bei allem, was die moderne Welt angeht, bastardisierte spanische Lehnwörter benutzt (…)“, schreibt Wieland. Sein „ihr“ bezieht sich auf „die Nationalisten“, die mit ihrer Sprachpolitik im „spanischen Baskenland und partiell auch in Navarra“ eine „schleichende umgekehrte Diskriminierung“ betrieben. Ich bin mir ganz sicher: Das gibt Pluspunkte bei den Presseauswertern in der spanischen Botschaft und bei den PP-geführten Ministerien in Madrid, entspricht es doch dem nationalspanischen Mantra von der Perfidie, mit der die peripheren Nationalismen den Zentralstaat ständig unterhöhlen.
Laut Wieland ist das Baskische also die Sprache „der Nationalisten“. Ergo, wer Baskisch spricht, gehört zu „den Nationalisten“. Autsch, das dürfte Jon Juaristi, besonders schmerzen, gilt er doch als der auf Baskisch publizierende Vorzeigepoet und Verteidiger des spanischen Nationalstaates gegen „die Nationalisten“. Nur deutsche „Journalistens“ können sehen, dass es im spanischen Königreich nur baskische und katalanische Nationalismen gibt, aber keinen spanischen. Den erkennen eben nur „die Nationalisten“.
Dass das Euskara eine sehr alte Sprache ist, steht außer Frage; das heißt aber nicht, dass sie „über nur altertümlich Vokabular“ verfügt. Sie ist ein quicklebendiges Idiom. Dazu zählen die heranwachsenden Jungsprechern, die es mit neuen Worten bereichern.
Da Wieland nichts über die Massnahmen schreibt, die der spanische Staat ab dem 18. Jahrhundert gegen das Baskische, aber auch das Katalanische, ergriffen hat, um ihre Sprecher zu assimilieren, mache ich das auch nicht. Selbst einschlägige Beobachtungen, die ein Wilhelm von Humboldt 1801 und andere nach ihm festhielten, würden wahrscheinlich sowieso nur als „Indoktrination“ und „Geschichtsklitterungen“, wie sie Wieland in baskischsprechenden Kindergarten entdeckt haben will, abgetan werden. Dass der spanische Nationalismus per Verfassung die Dominanz des Español dekretiert hat – Spanisch ist überall Pflichtsprache, alle anderen Regionalsprachen sind Kannsprachen -, können auch nur „die Nationalisten“ so sehen.
Wer dagegen opponiert, fällt in die Kategorie der „rabiateren Sezessionisten“, die Wieland zur Zeit in Katalonien verortet. Bar bastardisierter Lehnwörter hätte er sie auch als die „tollwütigeren Abspalter“ betiteln können, aber das klänge wohl zu sehr nach Hetzpropaganda.
Nur, was meint er bloß mit „bastardisierte spanische Lehnwörter“, die es im Baskischen geben soll?
Etwa, dass das kleine Euskara mit seinen 600-800 000 Sprechern das millionenfach gesprochene Castellano zum Sprachverkehr gezwungen hat und herausgekommen ist dann irgendwann ein „bastardisiertes spanisches Lehnwort“? Sprachpuristen benutzen den aus der Biologie entlehnten Begriff der „Bastardisierung“, um gegen die „Verunreinigung“ des Idioms durch Medien, Politik, Fremdsprachen und Werbung Stimmung zu machen. Wenn ich mal Wielands Wortwahl übersetzen darf, benutzen „die Nationalisten“ doch tatsächlich „unreine spanische Lehnwörte“. Aber, por Díos, wie konnte der Königlichen Spanischen Akademie denn solch eine Katastrophe unterlaufen, indem sie bastardisierten Lehnwörtern freien Lauf ließ? Oder wollte Wieland sagen, dass „die Nationalisten“ ihre eigene baskische Sprache „verunreinigen“? Bevor das geschähe, würde wohl die königliche Akademie der baskischen Sprache, Euskaltzaindia, Alarm schlagen. Aber die taucht bei Wieland nicht auf, vielleicht weil da nicht genügend „Nationalisten“ drin sitzen, obwohl auch die Euskaltzaindia ihm irgendwie „nationalistisch“ erscheinen müsste, da sie ebenfalls in Nafarroa und in den drei auf französischem Staatsterritorium liegenden Provinzen als Norminstitut tätig ist.
Wie jede lebende Sprache hat auch das Euskara Lehnwörter aus Nachbar- und Hauptverkehrssprachen übernommen. Das baskische „urre“ geht auf das lateinische „aurrum“ (Gold, span. oro, frz. or) zurück. Selbstverständlich hat „manifestazio“ etwas mit „manifestación“ zu tun, wo Deutsche – selbstverständlich unbastardisiert – „Demonstration“ gebrauchen oder direkt zur reineren „Manifestation“ greifen, wenn‘s denn passt.
Lehnworte werden nicht nur importiert, sondern auch exportiert. So gelangte aus dem Baskischen der „zulo“ ins Castellano. Wieland übersetzt das Wort mit „Keller“. Falsch; es ist nur ein (Erd-)Loch. Es entstammt dem ETA-Jargon, der damit Erdverstecke meint(e).
Bleibt nur noch zu klären, warum in meinem Titel „Journalistens“ auftaucht. Wieland erwähnt mehrfach die „presoaks“. Er meint damit nur die „wegen Genickschüssen und Autobomben inhaftierten Terroristen“, selbstverständlich nicht die wegen angeblicher ETA-Zusammenarbeit einsitzenden politisch Aktiven darunter Verleger und Rechtsanwälte wie z.B. Arantza Zulueta (über zwei Jahre in U- und Einzelhaft). Wäre ja auch unvorteilhaft für einen Spanien-Korrespondenten, Spanien auf dieselbe Stufe wie die Türkei zu stellen.
Aber das Baskische ist, wahrscheinlich wegen „der Nationalisten“, ja so eine echt tückische Sprache, besonders für „Journalistens“. (Ich spreche da auch aus eigener Erfahrung.) Das Euskara hängt seine Artikel an das Substantiv (Hauptwort): preso = Gefangene/r; presoa = der/die Gefangene/r; presoak = die Gefangenen. Das lässt sich noch, wie Wieland zeigt, deutsch „bastardisieren“ in „presoaks“ = Gefangenens.
Ansonsten kann ich Wieland nur animieren, weiter so wie in „Die Wahrheit der Patrioten“ – Spaniens – zu schreiben, wenn er wie sein Vorgänger Walther Haubrich mit dem spanischen Nationalpreis „Premio de Asturias“ geehrt werden möchte. Er ist auf dem richtigen Weg dorthin, auch wenn dieser in die falsche Richtung führt.
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