Intel wie in “Intelligence”

Intel wie in “Intelligence”
Abhörgeräte, mit denen sich das Ministerium für Staatssicherheit der DDR “Intel” verschaffte. (© Ingo Niebel, 1999)

Seit den 1990er Jahren beschäftige ich mich mit Geheimdiensten und ihrem Wirken in Vergangenheit und Gegenwart. Im angloamerikanischen Sprachraum beschreibt man ihre Arbeit mit dem Wort „Intelligence“, kurz „Intel“. Es meint einerseits jegliche Art der Information. Das Spektrum reicht vom Staatsgeheimnis bis zum Aussehen eines Studentenausweises, der die Legende einer Spionin absichert. Andererseits beinhaltet Intel, jede erdenkliche Form, Nachrichten zu gewinnen: Sie beginnt bei menschlichen Quellen (HUMINT), reicht über abgehörte Kommunikation (SIGINT) bis zu weiteren Technologien, sich Intelligence zu beschaffen. Kurzum Intel sammelt und nutzt jegliche Art von Informationen für geheimdienstliche oder militärische, politische oder unternehmerische Zwecke. Auf die Definition des Begriffs werde ich an anderer Stelle eingehen.

Geheimdienstwissenschaft

Wie der (westliche) Journalismus Geheimdienst-Themen behandelt, ist ein Fall für sich. Kompliziert wird es, sobald Medien und Journalist:innen zur „Intelligence“ überschreiten und sich in ihre Dienste stellen. Jenseits des Negativen, Sensationellen und Personifizierten, mit denen im Westen eine Nachricht produziert und verkauft wird, interessiert mich der wissenschaftliche Umgang mit dem Sujet „Intel“.

Wer produziert Intel und setzt sie wie zu welchem Zweck ein, sind Fragen, die mich beschäftigen. Schon seit Jahrzehnten suchen Wissenschaftler und Publizisten in den USA, im Vereinigten Königreich und im Commonwealth nach Antworten. Noch älter ist jenes Staatsdenken in Deutschland und Österreich, das Akademiker:innen daran hindert, die meistens dezentralen Intelligence Studies aus ihrem Schattendasein herauszuführen und zu einer Art transdisziplinärer Geheimdienstwissenschaft zu entwickeln.

„Intel“, eine „missing dimension“

Während Politikwissenschaftler:innen schon länger untersuchen, welche Rolle die Intelligence in der Außenpolitik spielt, geschieht dies in der Geschichtswissenschaft äußerst selten. Der Publizist Heinz Höhne zitierte in seiner Geschichte der deutsch-russischen Spionage „Krieg im Dunkeln“ (1985) den britischen Außenpolitiker Alexander Cadogan: „Die Welt der Geheimdienste […] sei die ‚missing dimension‘ der diplomatischen Geschichtsschreibung, das fehlende Glied in der Aufklärung der Vergangenheit.“ Der Spiegel-Journalist schließt sich den beiden englischen Historikern Christopher Andrew und David Dilks an, die konstatieren: „Die Dimension der Geheimdienste fehlt auch meist in der politischen und militärischen Geschichtsschreibung.“

An dieser Stelle überlappt sich bei mir der Bereich Intel mit der historischen Kryptologie.

Die „missing dimensions“, die ich betrachte, umfassen einerseits die Rolle von Geheimdiensten im politischen Konflikt zwischen dem Baskenland und dem spanischen Staat. Das wiederum bedingt, dass ich mich andererseits mit der Vergangenheit der geheimen Dienste auseinandersetze. Dabei interessieren mich nicht nur die Strukturen, sondern ebenfalls die Menschen und die Konsequenzen, die ihrer Arbeit entspringen.

Aktuelle Schwerpunkte

Im Augenblick (Frühjahr 2023) beschäftige ich mich
gegenwartsbezogen mit
– „Terrorismus“ und „Staatsterrorismus“
– Medien und Intelligence;

und historisch mit
– der „Genealogie“ der Intelligence Communities in Deutschland (1870-1945/90)
– dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) im Allgemeinen, die deutsch-spanische Polizeikooperation im Besonderen
– Kurt Lischka, dem „Gestapo-Prokuristen“ mit den zwei Karrieren als Jurist

Leave a Reply

Your email address will not be published.

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.