Pablo González, ein in Polen verschwundener Journalist

Pablo González, ein in Polen verschwundener Journalist

Seit Montag gilt der aus Spanien stammende Journalist Pablo González als in Polen verschwunden. Zuletzt berichtete er für mehrere spanischsprachige Medien aus dem EU-Mitgliedsstaat über die Ankunft von Geflüchteten aus der Ukraine. Sein Anwalt Gonzalo Boye wähnt ihn im polnischen Gewahrsam. Genaues weiß aber auch er nicht, da mutmaßlich der polnische Geheimdienst seinen Mandanten isoliert an einem unbekannten Ort festhält.

Dieses Vorgehen entspricht eher dem Bild, das europäische Medien vom Umgang der Regierungen in Minsk und Moskau mit missliebigen Journalisten und Bloggern zeichnen, denn dem eines EU-Mitgliedstaates. In einem solchen stehen Journalist:innen nicht über dem Gesetz, sind aber auch nicht vogelfrei. Wie allen EU-Bürger:innen haben sie das Recht, sich von einem Anwalt ihrer Wahl verteidigen zu lassen. Dieses Grundrecht scheint die polnische Exekutive González zu verwehren. Über die Gründe schweigt sie sich aus, während die spanische Regierung sich passiv verhält.

Vorspiel in der Ukraine

https://www.youtube.com/watch?v=vKXN0e-rF3Y
Videoclip von España en vilo über den Fall González (Quelle: Youtube, 2.3.20122)

Die Faktenlage sieht wie folgt aus: González berichtet seit zehn Jahren über die postsowjetischen Gebiete. Seine Beiträge sind zum Beispiel in der baskischen Tageszeitung Gara sowie im gesamtspanischen Privatsender La Sexta und im Newsportal Público erschienen. Anfang Februar befand er sich mit drei anderen Journalisten in der Ost-Ukraine. Zwei seiner Journalisten verfügten über die notwendigen ukrainischen Papiere, um das Donbass-Gebiet zu betreten. Da González und ein weiterer Kollege keine derartige Erlaubnis besassen, blieben sie auf der ukrainischen Seite der umkämpften Region und berichteten von dort.

Zu diesem Zeitpunkt erhielt González einen Anruf seitens des ukrainischen Militärgeheimdienstes, der ihn zum Verhör nach Kiew vorlud. Der freelancer folgte der Aufforderung. Seine Kollegen begleiteten ihn. Als er sich nach zwei Stunden immer noch im ukrainischen Gewahrsam befand, machten sie seine Situation über die sozialen Netze bekannt.

Wie später bekannt wurde, verdächtigten ukrainische Sicherheitsbehörden ihn, „prorussisch“ zu sein. Ihren Verdacht stützten sie auf den Umstand, dass der in Moskau geborene González aus dem Baskenland stammt und dort lebt. Sie kreideten ihm an, dass er eine Kreditkarte der baskischen Sparkasse Laboral Kutxa/Caja Laboral besass und seine Artikel in der Gara erschienen waren. Außerdem führten sie gegen ihn ins Felde, dass er fließend russisch spreche und die Region sehr gut kenne. Von seinem Handy zogen sie eine Kopie. Im Anschluss forderten sie González auf, die Ukraine innerhalb von drei Tagen zu verlassen. Einen formellen Ausweisungsbeschluss legten sie ihm jedoch nicht vor.

Geheimdienste und der verschwundene Journalist

Daraufhin ging González zur spanischen Botschaft in Kiew, wo er seinen Fall mit dem Generalkonsul besprach. Die Redaktion von Público kontaktierte das spanische Aussenministerium.

In der Zwischenzeit suchten Angehörige des spanischen Militärgeheimdienstes CNI González’ Familie im Baskenland und in Katalonien auf. Sie wollten alles über das Leben und die Arbeit des Journalisten wissen, vor allem aber, ob er „prorussisch“ wäre. Die Situation hatte etwas „Surreales“, wie Familienangehörige im Gespräch mit Público sagten. Weiter führten sie aus, die CNI-Agenten hätten sie gewarnt, dass González beschuldigt wurde, für Gara zu arbeiten – „einem pro-ETA-Medium und von Russland subventioniert“ – und dass er „Informationen an Russland geliefert hätte“.

González erfuhr vom Vorgehen des spanischen Geheimdienstes, als er sich noch in der Ukraine befand. Umgehend verließ er das Land und kehrte in seine baskische Heimat zurück. Weder der CNI noch die Polizei kontaktierten ihn.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, beschloss der Freelancer am 25. Februar nach Polen zu reisen. Er begab sich zur polnisch-russischen Grenze, um von dort über die Ankunft der Flüchtlinge aus der Ukraine zu berichten. Am 27. Februar, um 20 Uhr, telefonierte er mit Público. Der Redaktion teilte er mit, dass er sich erschöpft ins Hotel im polnischen Rzeszow begebe.

Gegen 10 Uhr am Montag nahm der polnische Sicherheitsdienst ABW González fest. Der Verhaftete konnte kurz mit seinem Anwalt Boye telefonieren. Demnach werfe man ihm vor, dass er sich „an Aktionen gegen den polnischen Staat“ beteiligt hätte. Seitdem herrscht Funkstille.

https://twitter.com/boye_g/status/1498228756762271744

„Ohne Pressefreiheit gibt es keine Demokratie“, warnt Boye. Er fordert von den polnischen Behörden, die körperliche Unversehrtheit seines Mandaten zu garantieren und ihn sofort freizulassen. Des Weiteren haben sich des Falles die baskischen Abgeordneten von EH Bildu im spanischen und im EU-Parlament, Jon Inarritu beziehungsweise Pernando Barrena, angenommen. Spaniens Premier Pedro Sánchez erklärte in der heutigen Parlamentssitzung auf Nachfrage: „Nach Angaben des Aussenministers wird man dem spanischen Journalisten konsularisch beistehen.“ Auf internationaler Ebene setzen sich auch Reporter ohne Grenzen, das International Press Institute, die Internationale Journalisten Vereinigung (IFJ) sowie die Vereinigung der Presse von Madrid für Pablo González ein. Público hat die achtzehn Verstösse gegen die EU-Grundrechtecharta aufgelistet, die Polen im Fall des verschwundenen Journalisten begangen hat.

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